Möbelherstellung im Wandel – eine kurze Geschichte der Möbel
Heute sind wir philosophisch – zutiefst philosophisch!
(Pathosschwangere Orchestermusik setzt ein)
Um zu wissen, was uns die Zukunft bringt, müssen wir wissen, wo unsere Vergangenheit liegt. Unsere Vergangenheit ist der Schlüssel zu unserer Zukunft.
(Pathosschwangere Orchestermusik verklingt)
Genug der Hollywood-Effekte und jetzt wieder ernsthaft. In Sachen Möbel wissen wir gar nicht, wie gut es uns eigentlich geht! Oder ist Ihnen eigentlich bewusst, wie bequem es geworden ist, das absolute Traummöbel zu finden, dieses dann einfach und schnell zu kaufen und es dann auch noch frei Haus geliefert zu bekommen und den kostenlosen Aufbau-Service direkt im Paket dabei zu haben? Hand aufs Herz; das ist Luxus.
Werfen wir einen Blick in den Rückspiegel der Geschichte, wird uns schnell klar, woher die Reise kam und wie limitiert in der Vergangenheit die Möbelmöglichkeiten wirklich waren und was dies für unsere Vorfahren in Sachen Leben, Wohnen und Einrichten wirklich bedeutet hat. Also alle an die staubigen Folianten und ans historische Werk!
Wie alles begann – die Geburtsstunde unserer Möbel
Wir müssen weit zurück, sehr weit. Um genau zu sein in die Zeit um 1500 v. Chr. Unterschiedliche Hochkulturen dieser Zeit „überließen“ uns die ersten Spuren einer handwerklichen Möbelkunst. Sowohl in den Pharaonengräbern Ägyptens als auch in Ausgrabungen auf Santorin lassen sich Hinweise für eine möbelbegeisterte Herrscherkaste finden.
Im alten Ägypten ist bereits eine hochentwickelte Möbelschreinerei zu finden. In dieser Zeit ist das Wissen um Drechseln, Furnieren und Bemalen voll entwickelt. Selbst die hochkomplexe Arbeit rund um Intarsien ist in dieser kulturellen Entwicklungsstufe bereits ausgeprägt!
Die ein oder andere Grabbeigabe aus den Ruhestätten der Pharaonen lässt einen mit offenem Mund stehen! Hocker, Stühle, Betten und Tische sind von kundigen Händen aus hervorragenden Materialien gefertigt.
Auch aus dem antiken Griechenland sind uns wahre Meisterstücke überliefert worden. In Sachen handwerklicher Fertigung werden uns in unterschiedlichen Quellen auch fußgetriebene Drechselbänke beschrieben.
Die Römer verbreiteten gewisse Möbeltypen, wie beispielsweise die Kline – eine Art Rekamiere – in ganz Europa. Von der Antike bis in die frühe Neuzeit hinein, waren Möbel ein Luxusgut. In den Herrscherhäusern waren prunkvoll geschmückte Möbel ein Zeichen von Macht, Reichtum und Überlegenheit. Ab dem Spätmittelalter wurde nicht gekleckert, es wurde geklotzt!
Das Material und die Fertigung konnten nicht abgehoben genug sein. Und es gibt die ein oder andere Mär, dass so mancher Herrscher einen begabten Möbelschreiner „vor die Hunde gehen lies“, nur um die Werke aus dessen Hände exklusiv zu besitzen.
Für den Normalsterblichen waren Möbel eine kostbare Investition, die nicht selten von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Nur in absoluten Notfällen wurden Möbel hier verkauft.
Die Industrialisierung des Möbelhaus
Die Geschichte des Möbels ist gleichzeitig die Geschichte des Handwerks. Ganz egal, ob wir uns historisch gesehen im alten Ägypten oder in der Zeit von Ludwig XIV. befinden; Möbel waren Handwerkskunst. Wer sich seinen Hocker nicht selber schnitzte, war angewiesen auf die Erfahrung und die Fertigkeiten einzelner Handwerker. Der Manufakturgedanke wurde von Generation zu Generation weitergegeben und gewisse Fertigungstechniken waren ähnlich gehütet wie heutzutage das Coca-Cola-Rezept.
Die Fertigungsmethoden blieben über die Jahrhunderte dieselben. Die Werkzeuge wurden zwar feiner und genauer – die Art, Möbel zu bauen, war jedoch bewährt und wurde über einen geraumen Zeitraum nicht auf ein neues Niveau gehoben. Möbelschreiner war über Jahrtausende Handwerkskunst.
Beginnend im England des späten 18. Jahrhunderts eroberte die Industrialisierung den gesamten Kontinent. Die menschliche Arbeitskraft wurde erst durch Maschinen unterstützt und später von diesen Maschinen „ersetzt“.
Die Verfahrenstechnik änderte sich in Zeiten der „Dampfmaschine“ vollkommen und aus einem einzigartigen Handwerkserzeugnis wurde über die Jahrzehnte ein maschinell gefertigtes Massenprodukt.
Durch die Professionalisierung der jeweiligen Produktionsschritte und die Entwicklung neuer Materialien (Beispiel: moderne Lacke verdrängen biologische Lacke) wurde die Produktion von Möbel schneller, genauer und effektiver.
Spätestens mit der Erschließung neuer Produktionsstandorte im asiatischen Raum wurde die Zunft der Möbelfertigung voll und ganz auf den Kopf gestellt. Aus Kundensicht ist dieser Wandel eine Veränderung, die durch den Preis erlebt werden kann. Im 100-Jahre-Chart fiel der Preis für Möbel um ein Vielfaches.
Der Stand heute – Manufaktur und Fertigungsstraßen
Willkommen in der Gegenwart! Es ist beinahe unmöglich, im Jahre 2018 von der Möbelherstellung zu sprechen. Das „Geschäft“ hat sich in unterschiedliche Ebenen aufgeteilt. In Asien gehören ganze Möbelstädte zur Tagesordnung. In diesen hocheffizienten Fertigungsstraßen werden Möbel für den weltweiten Design-Hunger gefertigt. Asien als Herstellungsland im Niedriglohn-Sektor ist nicht der einzige Hot-Spot in Sachen Möbelfertigung. Auch in Europa werden Küchen, Sessel und Konsorten in hoher Effizienz und passender Qualität gefertigt.
Ohne die Übersee-Fertigung wären die Günstig- und Billigstpreise einer weltbekannten Möbelkette aus Skandinavien beispielsweise unmöglich. Die Kehrseite der Medaille: das Industrieland - die Volksrepublik China – ihres Zeichens DAS Herstellungsland für den skandinavischen Möbelgiganten ist weder für Menschenrechte noch für nachhaltigen Umweltschutz oder passable Arbeitsbedingungen bekannt.
Dass es auch anders geht, beweisen faire Betriebe in anderen asiatischen Ländern wie dem Vietnam. Hier wird unter Einhaltung von Umweltvorschriften und hervorragendem Mitarbeiterschutz auf europäischem Niveau gefertigt.
Einen vollkommen anderen Ansatz verfolgen die europäischen „Manufakturen“! Im Sinne der Slow-Food-Idee und der Boutique-Welle entstehen Möbel, die nicht weniger sind als pures Handwerk. Fachbetriebe, die sich auf Einzelstücke und besondere Fertigungstechniken spezialisiert haben, entstehen wieder. Dieses Wiedererwachen einer Branche wird durch Kunden möglich gemacht, denen ein wertiges Möbel oder eine individuelle Lösung den aufgerufenen Preis wert ist. Vor allem im Bereich Küche und Wohnküche finden sich hier viele Kleinst-Hersteller und Schreinereien, die sich dem Thema Boutique-Küche mit Leib und Seele verschrieben haben.
Auch im Bereich der konventionellen Möbel dreht sich das Marktgefüge. Liebhaber-Betriebe und Design-Start-Ups erblicken erneut das Licht der Geschäftswelt. In diesen Betrieben wird das alte Handwerk gepflegt und gleichzeitig werden neue Möbelschmuckstücke geschaffen, die, wie in der goldenen Vergangenheit, das Potential und die Qualität besitzen, von Generation zu Generation weitergegeben zu werden!